Die erste Zeit meines Auslandsemesters in Japan

Also während ich nun hier so sitze, “spicy stick snack of deep-fried squid” esse, das ich vor ein paar Tagen im Supermarkt nach einem kurzen Blick ohne zu lesen gekauft habe, da denke ich, dass es Zeit ist. Nämlich dafür, meine ersten Tage in Japan und die Gründe warum ich hier bin mal zu dokumentieren. Nein nicht wirklich. Eigentlich denke ich nur, dass dieser stick snack doch irgendwie ganz gut schmeckt.

Warum bin ich eigentlich hier?

Das in der Tiefe zu erklären würde zu weit führen und ziemlich sicher pseudo-psychologisch ausarten. Aber so viel: Schon seit vielen Jahren fasziniert mich keine andere Kultur so sehr wie die japanische. Genau kann ich es einfach nicht erklären. Aber ich schätze, man kann es auf eine langjährige, relativ konstante Gegenwart von verschiedenen Dingen mit Japan-Bezug schieben. Eventuell fing es mit dem Nachmittagsprogramm im Fernsehen an, das ich nach der Grundschule geschaut habe: One Piece, Naruto, Pokemon, Yu-Gi-Oh, Bayblade, Detektiv Conan, usw. Vielleicht fing es auch mit den Karten an: Pokemon-Sammelkarten und Yu-Gi-Oh-Karten. Oder waren es doch die Spiele? Pokemon daddeln auf dem DS, hunderte Spielstunden. Und Zelda, Final Fantasy, natürlich Mario sowie später Metal Gear Solid. Dazu kamen irgendwann Manga: Vor allem One Piece und ein wenig Naruto und sogar Bakuman, ein Manga über Manga-Zeichner. Später dann noch Filme: Allen voran “Lost in Translation”. Und auch “Wasabi: Ein Bulle in Japan”. Irgendwann kam ich auf den Geschmack von älteren japanischen Filmen, z.B. “Die sieben Samurai” oder “Tokio Story”. Sowieso, alle Filme von Ozu sind toll. Parallel ging es weiter mit dem Buch “Wilde Schafsjagd” von Haruki Murakami, das ich 2015 erstmals las (Danke Paul) und das mich auf die weiteren Bücher von Murakami brachte. Irgendwie zog es sich nebenher durch mit mir und Japan.

In einem Satz: Es ist eine Faszination irgendwo beginnend mit dem Abspann von Pokemon Diamant bis hin zu der seltsamen zielstrebigen Verlorenheit des Protagonisten in “Wilde Schafsjagd”. Sie hat dafür gesorgt, dass ich einfach nicht widerstehen konnte.

Update am 27.11.: Es stellt sich heraus, dass Japan auch aktiv an der Vermarktung der (Pop-)kultur nach außen arbeitet: Cool Japan, 1 2

In der Haruki Murakami-Bibliothek auf dem Waseda-Campus habe ich die Ausgabe von Wilde Schafsjagd gesehen, die ich auch habe.

Was mache ich hier?

Ich studiere nun als Masterstudent im Master-Programm “Computer Science” an der Waseda-Universität. Bei meiner akademischen Betreuerin nehme ich an einer Vorlesung über kryptographische Protokolle und Blockchain teil sowie an ihrem Forschungsseminar. Daneben versuche ich gerade noch, in einen Japanisch-Kurs an der Waseda-Universität rein zu kommen. Diese sind sehr beliebt. Morgen weiß ich, ob ich ihn bekommen habe. Außerdem habe ich einen Job als “fortgeschrittener Lehrassistent” angenommen. In einem Deutschkurs eines Professors der Politik-Fakultät betreue ich die Studenten während des Unterrichts und korrigiere ihre Hausaufgaben. Darüber hinaus habe ich mich auch auf zwei Stipendien beworben aber leider bisher keines davon bekommen. Es gibt bei dem einen wohl noch Hoffnung auf “Nachrückplätze”. Das andere wird wohl in den nächsten Tagen entschieden. Spannend… Mein Wohnheim liegt in Nerima-ku, einem Stadtteil von Tokio. Das ist etwas weg von den pulsierenden Stadtzentren wie Shibuya, Shinjuku und Akihabara. Allerdings ist das Wohnheim über die Fukutoshin-Linie der Metro sehr gut an diese Viertel angebunden.

Meine Ankunft

Am 21.09. bin ich mit meinen zwei großen Gepäckstücken Vormittags gegen 10 Uhr bei sommerlichen Temperaturen und bewölktem Himmel in Tokio gelandet. Der Flug hat etwa 13 Stunden gedauert und war sehr angenehm: Ich saß vorne, direkt hinter der Business Class in der 747 und hatte einen Fensterplatz sowie den Platz neben mir frei. Der Flug ging über Nacht aber viel schlafen konnte ich nicht. Die Verpflegung an Bord war gut und man konnte zahlreiche Filme schauen. u.a. “Lost in Translation” <3.

Mt. Fuji empfängt mich in Japan, das ansonsten vollständig von Wolken bedeckt ist.

Die “Immigration” (als Student) mit zig Pandemie-bedingten Extra-Dokumenten lief reibungslos. Ich hatte alle Dokumente in Japans Corona-App gebündelt und direkt am Gate fingen zahlreiche Helfer die ankommenden Passagiere ab um ihnen sogleich den Weg zu einem Schalter für den Check der App zu weisen. Und man erhielt einen schönen blauen Zettel. Total süß waren dann bei der Gepäckausgabe die kleinen Beagles, die das Gepäck nach verbotenen Lebensmitteln durchschnüffeln sollten. Die Hunde waren sehr quirlig und machten das Warten auf die Koffer angenehmer. Wir waren der einzige Flieger, der zu der Zeit angekommen war. Mit meinem Gepäck schließlich eingereist, hob ich erstmal 50.000 ¥en am 7-Eleven Bankautomaten ab. Zu gutem Wechselkurs. Mich überkam direkt eine Grundzufriedenheit: Ich kannte das Terminal schon von meinem Besuch in Japan fünf Jahre zuvor und wusste trotz fehlendem Internet auf dem Handy, welche Verbindungen ich nehmen musste und wie das Zugfahren mit den sogenannten IC-Karten funktioniert. Ich war mir also sicher, dass ich ganz entspannt die ca. 30 km durch Tokio zum Wohnheim fahren könnte.

Alles ein Klacks für einen Japan-Profi wie mich.

Oh yes, von den überall stehenden Automaten lasse ich mich gerne empfangen. Ich werde eines Tages nochmal einen Eintrag über kuriose Automaten machen. Manche machen einem sogar Instant-Suppen.

Naja. Ganz so entspannt war es dann mit meinen ca. 45 kg Gepäck doch nicht. Zweimal umsteigen und nicht überall Rolltreppen bei 24 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit war dann doch nicht so einfach. Zudem war trotz Vormittagszeit recht viel los in den Zügen. Am Endbahnhof angekommen, hatte ich innerhalb vom meinem Viertel Kotakecho dann nochmal eine harte Zeit: Nach mehreren Rolltreppen in der U-Bahn-Station in verschiedene Richtungen hatte ich beim Rauskommen keine Ahnung mehr, an welchem Ausgang der U-Bahn ich war. Ich hatte in der Station komplett die Orientierung für Himmelsrichtungen verloren. Noch in Deutschland hatte ich Screenshots vom Weg von der U-Bahn-Station zum Wohnheim gemacht. Die verstand ich in dem Moment überhaupt nicht mehr. Es dauerte nochmal etwas, bis ich mich wieder orientiert hatte. Ich muss witzig auf die Leute gewirkt haben: Der Ausländer mit dem halben Haustand, der verpeilt durch die Nachbarschaft lief.

Endlich angekommen war ich total durchgeschwitzt und feddich midde Welt. Die nette Empfangsdame vom Wohnheim kümmerte sich um meine Einweisung. Außerdem lernte ich direkt einige meiner zukünftigen Mitbewohner kennen. U.a. aus den USA und aus Frankreich. Bei einem Kaffee aus dem Getränkeautomaten des Wohnheims (natürlich hat das Wohnheim einen). My English at that moment must have been quite verkorkst.

Schließlich im Zimmer war ich erstmal kurz geschockt. Das Zimmer war doch älter, als ich es mir vorgestellt hatte. Es brauchte etwas Zeit, bis ich merkte, dass es aber in gutem Zustand ist und mir zu einem akzeptablem Preis alles bietet, was ich brauche. Jedenfalls hatte ich erstmal überhaupt keine Energie mehr dafür, meine Sachen auszupacken und einzuräumen. Geschweige denn mein Bett zu beziehen. Ich konnte gerade noch mein Handtuch suchen und erstmal duschen. Wobei ich mir natürlich direkt mal den Kopf stieß. Denn einige Stellen im Gemeinschaftsbad haben nur eine ca. 185cm hohe Decke. Nach dem Duschen erstmal ein Abstecher zum obligatorischen “Konbini”, der gefälligst an jeder Ecke in Japan zu existieren hat. Unser ist ein Seven-Eleven, der 24/7 geöffnet ist und 1 min zu Fuß vom Wohnheim entfernt ist. Ein Beispiel: Falls man Sonntag Nachts um 1:30 Uhr das Bedürfnis nach einem Onigiri (eine Art Reisbällchen, verschieden befüllt) und ein paar Keksen verspürt - 1 min zu Fuß zum Konbini und das Problem ist gelöst. Ich finde es klasse.

Mein Wohnheim. Am Ende der Straße der 'Konbini'. Die Gegend ist sehr vorstädtisch geprägt. Das meiste sind Einfamilienhäuser. Ich fühle mich sehr wohl.

Ich mag Züge.

Frisch gestärkt nach Konbini-Essen und Staunen darüber, was es in dem Ding alles an Fertig-Gerichten für 2 bis 5€ (nochmals: rund um die Uhr!) gibt, ging ich dann das Auspacken und Einräumen in meinem Zimmer an. Danach reichte es noch für einen ersten kleinen Spaziergang durch die Nachbarschaft. Gegen 20 Uhr fiel ich erschöpft ins Bett und schlief.