Alltag in Japan

Ich bin jetzt etwa seit einem Monat in Japan. Mittlerweile fühle ich mich hier wirklich gut angekommen. Natürlich spreche ich nach wie vor die Sprache nicht. Und ich wohne immer noch in meinem kleinen Wohnheimszimmer. Aber ich habe eben so langsam das Gefühl, dass ich jetzt weiß, wo ich alles bekomme, wie ich wo hinkomme und mit wem ich meine Zeit verbringen kann. Ich bin nicht mehr völlig überfordert im Supermarkt; z.B. dass ich nicht weiß nicht, wo das Öl zum Braten steht bzw. wie es überhaupt aussieht. Auch Bürokratie-Kram habe ich nicht mehr jeden Tag zu erledigen. Und die Uni und meine Japanisch-Stunden haben angefangen, sodass ich feste Abläufe entwickeln kann. Das heißt jetzt aber auch nicht, dass ich mich im totalen Trott befinde. Natürlich kaufe ich noch immer interessant aussehenden Quatsch im Supermarkt. Ich schlafe natürlich auch manchmal bis zehn, weil es so anstrengend ist, all die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Und ein paar Ausflüge habe ich auch schon gemacht. Leider bin ich (mal wieder) bei allen Stipendien leer ausgegangen. Ich dachte eigentlich, dass es von den Noten her passen sollte. Schade ist es auf jeden Fall. Zumal ERASMUS-Studenten eigentlich garantiert eine Förderung fürs Auslandssemester bekommen. Dabei liegen Länder wie Japan viel weiter weg von zuhause als EU-Länder und haben trotzdem eine starke Verbindung zur EU. Und hier geht man dann leer aus. Naja. Aber ich werde dennoch klar kommen und die Zeit in Japan nach Kräften genießen. Den von mir gewünschten Japanischkurs habe ich leider auch nicht bekommen. Dafür habe ich jetzt Einzelunterricht, der von meinem Wohnheim ausgerichtet wird. Dazu vielleicht später mal mehr. Nur so viel: Der Unterricht macht bisher sehr viel Spaß und ich lerne eine Menge.

Ausflug nach Kamakura

Da es nach meiner Ankunft am 21.09. hier noch regelmäßig Temperaturen über 30 Grad Celsius gab, sehnte ich mich schon ab und zu nach einer Erfrischung. Und ich wusste ja natürlich auch, dass ich hier in einem Inselstaat bin. Also dachte ich mir, muss es doch auch irgendwo Küste geben. Laut Wikipedia hat Japan 29.020 km an Küstenlinie, also etwa so viel wie 3/4 der Länge des Äquators. Da sollte doch etwas für mich dabei sein. Die Wahl fiel dann auf Kamakura, weil es in allerlei Touristenführern angepriesen wird, per Zug mit der Nahe bei mir verlaufenden Fukutoshin-Linie sehr gut zu erreichen ist und ich dort 2017 schon einmal gewesen war, wobei es mir gut gefallen hatte. Am 03. Oktober, für den wieder über 30 Grad Celsius angesagt waren, fuhr ich dann los. Mit mir fuhren Loris aus Belgien und Isabella aus Deutschland, die in einem Share House in einem benachbarten Stadtteil wohnen. Ich kenne Isabella von meiner Uni und Loris über Isabella. Gegen 11 Uhr kamen wir nach ca. eineinhalbstündiger Fahrt in Kamakura an, bei gleißendem Sonnenschein. Um den Bahnhof herum ist eigentlich erstmal nichts Spektakuläres. Also gingen wir in ein Café um den Tag zu planen. Erste Station sollte der Ghibli-Shop in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs sein. - Dafür kommt man also nach Kamakura. - Für danach planten wir einige religiöse Stätten zu besuchen, wie den Daibutsu (großen Buddha), für den Kamakura berühmt ist. Anschließend wollten wir dann das machen, worauf ich vor allem wartete: zum Strand gehen. Loris und ich hatten beide schon eine Badehose an bzw. unter. Aber eins nach dem anderen.

Das Café war erstmal sehr interessant, da der Kellner mit unserer Bestellung überfordert schien. Er musste ungefähr viermal nachfragen, was wir denn nun haben wollen. Isabella und ich tranken Wiener Melange, Loris weiß ich nicht mehr. Dazu bestellten wir ein paar kleine Sandwiches, die auf einem Teller mit etwas Salat serviert wurden. So kompliziert war das eigentlich nicht. Als dann alles kam waren wir aber nichtsdestotrotz zufrieden. Auffällig waren auch die sehr niedrigen Armlehnen-losen Sessel in dem Café. Ich saß in etwa so, wie ich es sonst als “fletzen” beschreiben würde. Das fühlt sich etwas unvernünftig an für ein Café. Aber es ging eben nicht anders. Im Ghibli-Store kaufte ich ein Set wahnsinnig niedlicher Totoro-Postkarten. Manche von euch haben vielleicht eine bekommen. Falls nicht, dann meldet euch gerne. Es sind noch welche da und ich habe massig Ideen, was ich schreiben könnte.

Nach ausgiebigem Stöbern in dem Geschäft gingen wir die lange Einkaufsstraße nach Norden entlang. Solche Straßen habe ich in Japan in der Nähe von Bahnhöfen schon oft gesehen, z.B. in Koenji. Sie gehen manchmal gefühlt ewig geradeaus und es reiht sich Geschäft an Geschäft. So war es auch hier. Manche waren alt und eher traditionell. Mit Holzfassaden und Baumwollbannern mit Schriftzeichen, die ich nicht kenne. Wahrscheinlich die Namen der Speisen, die angeboten werden. Andere waren sehr modern und falls so dann allesamt totschick designt. Die Architekten, ob Innen- oder Außen-, haben in Kamakura in den letzten Jahren ganze Arbeit geleistet. Manche Shops haben lokale Spezialitäten angeboten und hübsche Souvenirs mit Bezug zur Stadt. Ich weiß nicht mehr genau, was alles. Bitte fragt nicht. Aber ich wollte sehr vieles gerne kaufen. Dann fiel mir auf der Straße auch etwas auf, was mir auch sonst in Japan oft auffällt: Es gibt immer mal wieder so richtig heruntergekommene, verlassen erscheinende Gebäude “mittendrin”, also zwischen all den anderen neueren und älteren Gebäuden. Mich stört das aber nicht, ich finde es eher faszinierend.

Am Ende der Straße fanden wir den ersten Schrein. So richtig genießen konnte ich es dort zunächst nicht, da die Sonne erbarmunglos herabschien und sehr viele Leute unterwegs waren. Aber die Anlage war sehr beeindruckend. Es gab so viele einzelne Gebäude, von denen ich jedes einzelne erstmal anschauen musste. Ich kann das alles im Nachhinein gar nicht so gut beschreiben, weil ich es auch nicht ganz verstehe. Wozu sind diese ganzen Gebäude da? Warum gab es einen Teich mit Fischen? Warum Fuchsstatuen mit Lätzchen? Wenn ich eines Tages mehr über die Schreinanlagen Bescheid weiß, melde ich mich nochmal.

Von der Anlage aus gingen wir Richtung Osten, an einer Straße entlang. Wir unterhielten uns viel und kamen an einem weiteren Schrein vorbei, der sich den Hang hochzog. Überhaupt ist die Stadt zerklüftet von Berghängen, die teilweise sogar durch Beton befestigt worden sind. Oft sind sie aber auch noch bewaldet. Immer mal wieder kamen wir auch an einem traditionellen japanischen Holzhaus vorbei. Mit ihrem dunklen Holz sehen sie immer so mysteriös aus. Ich wünschte, ich könnte mal eines von innen sehen.

Der nächste Schrein war klein und nicht so spektakuär. Er hatte aber einen beeindruckend gepflegten Garten.

Mit dem Bus fuhren wir danach zurück zum Bahnhof und von dort mit einem weiteren Bus nach Westen. Wir stiegen an der Station aus, von der aus man den Daibutsu besuchen kann. Zum “großen Buddha” mussten wir Eintritt bezahlen und ich hatte eigentlich schon gar nicht mehr so richtig Lust auf einen weiteren Tempel/Schrein. Aber der große Buddha war dann doch ganz schön beeindruckend (siehe Fotos). Ich kaufte noch eine kleine Postkarte, die wohl aus Kamakura kommt und ein Gemälde eines Shinto-Schreins im Winter zeigt. Es war bisher noch nicht die Zeit dafür, diese zu versenden.

Als nächstes wollten wir dann aber an die Küste. Die beiden anderen kauften sich noch jeweils ein Eis vor dem Eingang des Daibutsu-Schreins. Dann gingen wir südwärts durch die Seitenstraßen immer weiter, bis wir das Meer erreichten. Nach ca. 20 Minuten waren wir da. Es war ein tolles Gefühl, endlich am Meer zu sein. Und zwar am Pazifik! Nach ein paar Minuten des Staunens und Fotos-Machens entschied ich mich dann schließlich als einziger (!) ins Wasser zu gehen. Auch weit und breit war niemand im Wasser zu sehen außer ein paar Surfern. Mir war das egal. Es war mittlerweile später Nachmittag aber immer noch bestimmt 25, 26 Grad warm. Und dann das Wasser: Es war super angenehem!!! Toll. Es ging sehr flach rein, die Brandung war nicht stark und ich fühlte mich wie in einer großen Badewanne. Für ein paar Minuten dümpelte ich so rum und genoss mein allererstes Bad im größten Ozean der Welt.

Nachdem ich mich umgezogen hatte machten wir uns auf den Weg, um weiter nach Westen an der Küste entlang zu gehen. Es dämmerte langsam und Loris, der schon seit über einem halben Jahr in Japan ist, kannte ein tolles Restaurant etwa 3 km gen Westen. So schlenderten wir also an der Küste entlang; ich zunächst noch barfuß, dann irgendwann wieder in meinen Sandalen. Es war ein herrlicher Abend. Auf ca. halber Strecke kamen wir an einen Aussichtspunkt, der eine Art Kap darstellte. Von dort konnte man westwärts an der Küste entlang schauen. In einiger Entfernung lag eine Insel. Bei gutem Wetter kann man von dort, so erzählte mir später ein Freund, sogar den Fuji sehen. Uns genügte der Blick an diesem Abend jedoch schon. Irgendwann erreichten wir dann das Restaurant. Es war nun schon dunkel und ich hatte seit einiger Zeit so richtig Hunger. Ich habe hier nirgends erwähnt, was ich den Tag über gegessen hatte. Das war nämlich nichts!!! Vor lauter Erkunden und Staunen hatte ich das wohl ganz vergessen. So orderten wir dann etwas Feines in dem Restaurant, das eine der Küste zugewandte Veranda hatte, auf der man im Hellen wohl einen tollen Ausblick aufs Meer hat. Ich habe schon vergessen, was die andern hatten. Ich bestellte Wagyu-Rind auf Knoblauch-Reis. Das war vielleicht das beste Fleisch, das ich bisher gegessen habe. Es kann aber auch an meinem enormen Hunger und der Seeluft liegen..

Danach gab es ein Eis beim nächsten Konbini, der natürlich mal wieder direkt um die Ecke lag, als Nachtisch. Wir liefen immer noch im T-Shirt rum, obwohl es seit einiger Zeit dunkel war. Aber wir waren dann auch alle schon ganz schön müde. Glücklicherweise war der nächste Bahnhof nicht weit. So konnten wir mit einem kleinen Küstenzug mit nur zwei Wagons zum nächstgelegenen größeren Bahnhof fahren und von dort aus die Heimfahrt antreten. Nach dem Umsteigen in den Zug zurück nach Tokio hatten wir glaube ich alle drei die Augen zu.