Ich wohne in Kotekecho in Nerima City, einer eigenständigen Verwaltungszone der Hauptstadt Tokio. Dieses Gebiet ist von kleineren Apartmenthäusern und Einfamilienhäusern geprägt. Ein Metro-Bahnhof sowie der S-Bahnhof Ekoda sind in der Nähe. Um letzteren herum gibt es dutzende Geschäfte, Restaurants und kleine Kneipen (Izakaya) sowie natürlich Karaokebars und einen Pachinko-Slot. Auch drei Universitäten oder Colleges sind in der Nähe. Je weiter man sich vom Bahnhof entfernt, desto weniger Geschäfte und Gastronomie findet man vor, bis man nur noch von Wohngebiet umgeben ist. Dieses Muster fällt mir hier in Japan oft auf. Das Leben spielt sich in der Nähe der Bahnhöfe ab. Aber zum Glück gibt es ja immer die Getränkeautomaten an jeder Ecke, auch im reinen Wohngebiet.
Eine erste Sache, die mir hier schnell aufgefallen ist: Viele der Straßen in meiner Nachbarschaft grenzen unmittelbar an die Häuser an. Es gibt manchmal nur eine Markierung an den Rändern der Straße, um den Autos anzuzeigen, wo für sie Schluss ist. Jenseits der Markierung ist dann maximal Platz für eine Person, bis Eingänge, Hausfassaden oder Zäune kommen. So ergibt es sich also, dass Passanten und Fahrräder auch die Straße nutzen. Erst wenn ein Auto kommt, wird möglichst nah an die Häuser ausgewichen. Ebenso weichen die Autos möglichst weit auf die andere Fahrbahn aus. Ich finde, dass das so sehr gut klappt. Vor allem, weil hier meistens nicht sehr viele Autos unterwegs sind. Manchmal sind dann aber die omnipräsenten Strommasten der Oberlandleitungen im Weg, die ebenfalls oft auf dem kleinen Rand zwischen Fahrbahn und Häusern stehen.
Was ich zu den Straßen aber sagen muss: Sie sind nicht zugeparkt von Autos, wie ich es aus meiner Heimatstadt in Deutschland kenne. Herrlich!! Dort sind eigentlich dauerhaft mindestens 90% der Parkplätze belegt. Auch an regenerischen Tagen. In vielen Straßen ragen lange Autos weit auf den Bürgersteig über, wenn es Straßen sind, in denen die Autos orthogonal zum Bürgersteig parken. Vor allem sogenannte Kombis mit ihrem langen Kofferraum, nach dem SUV wahrscheinlich das zweitbeliebteste Auto der Deutschen. Ich vermisse die ganzen Autos üüüberhaupt nicht. Hier werden die Autos auf den Grundstücken geparkt. Aufgrund des Platzmangels grenzt das oft an Kunst. Zur Beifahrerseite sind bei geparkten Autos zum Teil nur wenige Zentimeter Abstand zur nächsten Wand übrig. Wirkliche Parkplätze sind eigentlich immer in privater Hand und haben hohe Parkgebühren. Kontrolliert wird nicht durch Personal, sondern durch Wegfahrsperren auf dem Boden auf jedem einzelnen Parkplatz. Erstaunlich oft sehe ich hier die G-Klasse auf irgendwelche Parkplätze gequetscht.
Was ich hier auch schöner finde beim Laufen durch die Straßen:
Aber - Folgendes werde ich nicht vermissen: Meine “Hürden” beim Laufen. Viele Fußgängerwege und Bürgersteige sind so derart mit Stahlbügeln gegen schnelle Fahrräder und Autos vollgestellt, dass ich manchmal regelrecht Slalom laufen muss. Das Drüberspringen lasse ich lieber, auch wenn ich beim Joggen oft geneigt bin. Wo ich jetzt schon beim Joggen gelandet bin: Es ist so schön, dass es hier oft öffentliche Toiletten und Trinkwasserspender gibt. Ein Traum für längere Joggingrunden. In folgendem Beispielbild haben sich die Hürden sogar zu einer Gruppe zusammengetan, um für eine ganze Fläche das Befahren und Parken unmöglich zu machen. Absurd.
Nun ein paar Worte zu den Häusern. Ich bin total fasziniert von den Häusern in Japan und ich glaube ich muss dazu noch mal einen eigenen Artikel machen. Vor allem zu der Thematik von Akiya - verlassenen Häusern, die weder abgerissen noch einem Eigentümer zugeordnet werden können. Dieser Artikel macht die Aussage, dass es über 8 Millionen (!) solcher Häuser in Japan gibt.
Aber hier soll es ja erstmal um Beobachtungen aus meiner Nachbarschaft gehen. Grundsätzlich sehe ich in da drei Arten von Häusern in drei ungefähren Altersklassen:
Die Altersklassen:
Bevor ich hier pseudowissenschaftliche Modelle über den Städtebau in Tokio entwickle - ich will sagen, dass ich vor allem die alten Häuser sehr faszinierend finde. Manche davon sind in sehr gutem Zustand und ich würde wirklich gerne wissen, wie es darin aussieht. Und dann sind manche auch verlassen und total überwuchert mit Pflanzen. In Kombination mit der Tatsache, dass die Häuser hier dicht an dicht stehen, ein unheimlich starker Eindruck. Da steht dann manchmal ein halb eingstürztes Holzhaus mit 10m hohem Bambus direkt neben einem hübschen modernen Einfamilienhaus.
Manchmal sind es auch die etwa mittel-alten Häuser, die nicht mehr mit Holzfassade verkleidet sind, die verlassen sind oder sehr alt aussehen. Auch die angesprochenen Kombinationen aus Geschäft und Wohnung finde ich sehr interessant.
Die neueren Häuser sind ab und zu wirkliche Schmuckstücke, bei denen die Architekten einen Preis verdient haben. Vor allem die Holzbretter, die als Sichtschutz an die Fassaden angebracht werden, gefallen mir sehr gut.
Was mir von außen nicht so gefällt, sind viele der anderen moderneren Häuser. Oft sind die Fassaden um die Holzgerüste herum aus Kacheln oder sogar aus Plastik. Das will mir einfach nicht wohnlich erscheinen. Es ist eben ganz anders, als das was ich kenne. Vielleicht muss ich mich einfach noch daran gewöhnen. Ich hoffe, es fühlt sich kein Japaner davon gekränkt. Auch in den Apartmenthäusern in meiner Gegend, die hier meistens mindestens zwei Etagen mit je 3-5 Apartmens haben, kann ich mir persönlich nicht so richtig Gemütlichkeit vorstellen. Die kleineren Apartments erscheinen mir von außen wegen der Metalltüren und der vielen Messinstrumente manchmal wie Lagerräume und müssen wirklich sehr klein sein.
Es ist so: Wenn ich Häuser und Wohnungen sehe, stelle ich mir oft automatisch vor, wie es wäre, wenn ich darin wohnen würde. Ich glaube, dass daher diese Eindrücke kommen und ich manche Häuser sehr mag und andere nicht. Meine Vorstellung davon, in welchem Haus ich es mir gemütlich vorstelle, bestimmt, welches Haus ich gut finde. Kann sehr gut sein, dass ich mich da auch ordentlich täusche und ich überrascht wäre, wie gemütlich einige der Häuser oder der kleinen Apartments von innen eingerichtet sind.
Was denkt ihr so darüber? Ich weiß, hier gibt es keine Kommentarfunktion. Aber schreibt mir gerne eine Nachricht, ich freue mich darüber. Falls ihr eine Musikempfehlung braucht, ich höre gerade beim Schreiben das neue Album der Arctic Monkeys. Es gefällt mir gut. Auch das letzte Album der japanischen Band betcover!! kann ich sehr empfehlen. Es ist Japanisch und ihr versteht wahrscheinlich so wenig wie ich aber dennoch gefällt es mir sehr. Ich habe mir vorgenommen, für eine meiner nächsten Japanisch-Stunden im Wohnheim einen der Lied-Texte zu übersetzen.