Irgendwann begann dann links der Weg zu all den Schreinen. Eine Treppenstufe führte uns zu dem ersten hinauf. Uns fiel direkt auf: Sie war voller Schnee. Oben Neuschnee und darunter festgetretener Schnee. Dadurch war es ganz schön riskant, die Treppe hinaufzusteigen. Dieses Muster sollte sich aber für unsere gesamte Wanderung zu den Schreinen fortsetzen. Wir mussten hunderte, teils steile Treppenstufen hinauf. Und alle lagen voller Schnee, der teils durch das Festtreten zu Eis geworden war. Super gefährlich, um ehrlich zu sein! Nichtsdestotrotz machten sich mit uns zahlreiche andere Leute auf den Weg nach oben. Ebensoviele kamen uns bereits entgegen. Manche mal wieder sehr stylisch, mit Markenkleidung und Sneakers. Auch einige Leute weit über 60 waren zu unserem Erstaunen unterwegs.
Ein paar mal rutschten wir aus aber ansonsten kamen wir heil oben an. Der Ausblick über den Ort war sehr schön. In einem überdachten Aussichtspunkt verweilten wir einige Minuten. Auf der Innenseite des Daches hatten zahlreiche Menschen ihre Visitenkarten hinterlassen, um von ihrem Besuch zu zeugen. Wir liefen bzw. stapften noch einige Zeit dort oben herum und machten uns dann vorsichtig an den Abstieg.
Auch unten kamen wir wieder heil an. Auf dem Rückweg zum Bahnhof kehrten wir an der Straße in ein Ramen-Restaurant ein, das mit selbstgemachten Nudeln warb. Das war das beste Ramen, das ich je hatte!! Ich lasse das Bild für sich selbst sprechen.
Danach setzten wir unsere Fahrt nach Yamagata fort. Dort mussten wir vom Bahnhof etwa 1,5 km zu unserem AirBnb laufen. Als wir es endlich erreicht hatten, erfroren wir erstmal fast. Im Haus war es gefühlt nochmal ein Grad kälter als draußen. Gabriel und ich waren beide der Meinung, dass der Host ruhig mal ein wenig für uns hätte heizen können.
Abends kauften Eben und Gabriel ein und kochten Spaghetti Carbonara. Ich ging in der Zeit nochmal zum Bahnhof zurück, um für uns Shinkansen-Tickets für den nächsten Tag zu organisieren. Nach den Carbonara schliefen wir alle schnell ein.
Am nächsten Tag schliefen wir erstmal aus. Bis halb zehn!! Das war wohl dringend nötig gewesen. Wir realisierten, dass wir gar nicht mehr soo viel Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zuges hatten und holten uns schnell ein wenig Frühstück vom Discounter in der Nähe. Dann eilten wir zum Bahnhof. Gerade noch rechtzeitig im Zug, nahmen wir unsere Plätze im ersten Wagon ein. Nur um dann festzustellen, dass der Zug doch erst einige Minuten nach der Abfahrtszeit losfuhr. Schneebedingte Verspätung. Wir fuhren für ca. eine halbe Stunde und stiegen dann in Oishida aus. Dort stiegen viele andere Leute mit uns aus. Direkt beim Aussteigen begannen einige der anderen schon zu rennen, um den Bus nach Ginzan Onsen noch zu bekommen. Wir rannten nicht. Wir waren uns alle einig, dass das nicht unser Stil ist. Also gingen wir zügig zum Bus. Der stand bereits dort und es hatte sich eine Schlange formiert. Die 4 Frauen aus Hong Kong, die vor uns in der Schlange waren, kamen als letzte noch in den Bus hinein. Dann war er gerammelt voll und fuhr los. So hatten wir also knapp 1,5 h (!) auf den nächsten Bus zu warten. Gabriel und ich ärgerten uns etwas. Eben hingegen schien das nicht so wirklich zu stören und er genoß eher die Schneemassen, die es in dem Ort gab. Außerdem lernten wir Leo aus Deutschland kennen, der ebenfalls aus Yamagata gekommen war und genau wie wir den Bus verpasst hatte. Wir einigten uns darauf, gemeinsam nach Ginzan Onsen weiterzureisen.
Für den nächsten Bus standen wir rechtzeitig an und bekamen alle einen Sitzplatz. Der Bus fuhr uns durch das absurde Schneechaos in der Region. Es war offensichtlich, dass die Menschen hier tagtäglich mit den Schneemassen zu kämpfen hatten. Ich schätze, dass ca. 1 Meter an Schnee lag. Zur Bekämpfung des Schnees hatten einige Leute Schläuche, aus denen warmes Wasser hervorquilt, vor ihren Häusern.
Nach ca. einer Stunde kamen wir in Ginzan Onsen an. Wir schauten uns einige Zeit um und waren beeindruckt von den prächtigen Badehäusern. Ich gebe zu, dass ich allerdings auch etwas eingeschüchtert war. Auf den Dächern lag derselbe Meter Schnee und ragte an manchen Stellen gefährlich weit über die Dachkante hinaus. Leider konnten wir keines der Onsen betreten. Fast alle sind nur für Übernachtungsgäste. Beide Onsen, von denen wir wussten, dass sie auch Tagesgäste hereinlassen, hatten zu dieser Zeit am Nachmittag schon geschlossen.
Ein wenig enttäuscht entschlossen wir uns, den nächsten Bus zurück zu nehmen. Immerhin der vorletzte Bus für den Tag. Es dämmerte bereits. Auf den Bus hatten wir dann über eine Stunde zu warten, da er massiv verspätet war. Die Straße, an der er uns abholen sollte, war mittlerweile spiegelglatt geworden. Tagsüber hatte es nämlich getaut und nun mit Einbruch des Abends war der ganze angetaute Schnee wieder gefroren. Es war schon etwas komisch, an dieser schlittschuhtauglichen Straße zu warten, während es dunkel wurde und zahlreiche Leute, die vorbei kamen, mit dem Ausrutschen zu kämpfen hatten.
Als der Bus dann endlich kam, rollte er geradewegs an uns vorbei, weiter die Straße ins Tal Richtung Ginzan Onsen herab. Der Grund: Er hatte keine Schneeketten und konnte nicht auf der gefrorenen Straße rückwärts fahren, um zu wenden und uns frierende Gäste einzusammeln. Ein Radlader mit Schneeketten kam nach einigen Minuten und zog den Bus für uns herauf. Alltag in Ginzan-Onsen?
Wir wurden heil zurück zum Bahnhof gebracht. Von dort ging es zurück nach Yamagata, wo wir vier zusammen Hokkaido-Ramen aßen. In dem Ramen-Restaurant trafen wir noch fünf sichtlich angetrunkene junge Japaner und hatten ein nettes Gespräch. Zurück in der Unterkunft duschte ich erstmal heiß.
Natürlich ging es am letzten Tag wieder früh los. Wir versorgten uns im Bahnhof mit Onigiri und warmem Grünetee und nahmen Abschied von Yamagata. Mit dem Tsubasa-Shinkansen ging es über Fukushima und Utsunomiya nach Nikko.
Darüber gibt es eigentlich gar nicht mehr so viel zu berichten. Wir stiegen in Nikko aus und gingen die Straße entlang zu dem Areal mit all den Schreinen und Tempeln. Dort besuchten wir den Tosho-gu. Nachmittags tranken wir noch Kaffee in einem schönen Café in der Nähe der Schreine.
Für mich hatte dieser Tag eine magische Atmosphäre. 2017 war ich schonmal in Nikko und bei dem Schrein gewesen. Schon damals hatte ich einen Omamori gekauft. Dieser wurde mir in Leipzig von meinem geparkten Fahrrad gestohlen. Nun hatte ich den gleichen Omamori erneut gekauft. Auch das Café hatte ich 2017 bereits besucht. Ich empfand darüber eine Art innere Zufriedenheit und es störte mich überhaupt nicht. Im Gegenteil. Obwohl ich Nikko und den Schrein schon kannte, genoß ich den Aufenthalt sehr. Einen entlegenen, schönen Ort ein zweites Mal zu besuchen ist nochmal etwas ganz anderes als nur ein einziges Mal zu kommen. Vor allem die Tatsache, dass ich den Besuch mit Freunden teilen konnte war sehr schön. Und nun habe ich sogar ein wenig das Gefühl, dass ich irgendwann, wie selbstverständlich, erneut dort hin gehen werde.
Nachmittags ging es dann zurück nach Tokio. Schon in Nikko hatte kein Schnee mehr gelegen.